Irgendwann im letzten Sommer hat Basti von Realvinylz mal auf einer #tassebier erzählt, dass er zuhause auf dem Rechner noch eine Dokumentation von einer Bekannten über das Kasseler Stammheim liegen hat, die zwar schon ein paar Jahre alt sei, aber bis auf einige Screenings nie so wirklich einem größeren Publikum vorgestellt wurde. Einige Wochen später haben wir uns das Teil dann gemeinsam angeschaut – und inzwischen ist Zeitgeist Stammheim auch, ob „offiziell“ oder nicht sei mal dahingestellt, auf YouTube aufgetaucht. Der Film bietet dabei einen wunderbar kurzweiligen Einblick in die Geschichte und vor allem auch Philosophie eines Club, der Kassel über fast die kompletten 90er Jahre hinweg auf der nationalen Technolandkarte platzierte.
Der Film weckte bei mir pesönlich insofern auch ganz besondere Erinnerungen, als dass das Stammheim tatsächlich der erste „richtige“ Technoclub war (neben dem U60 in Frankfurt), den ich in meinem Leben besuchte. Ich und mein Kumpel waren damals 18 und hatten gerade unseren Führerschein gemacht. Er wohnte zu dem Zeitpunkt in Marburg, was immerhin nur 100 km von Kassel entfernt ist statt knapp 190 von Frankfurt aus. Es müsste ein Samstag im April gewesen sein, als wir uns ein Herz nahmen und uns auf den Weg nach Kassel machten. Er fuhr, ich trank Pils aus Dosen. Wir haben uns ein paar mal verfahren, aus den Boxen tönte unter anderem die erste Platte von Future Sound of London, aber irgendwann haben wir dann tatsächlich vor dem Gemäuer der Kulturfabrik Salzmann gestanden.
Die ersten Augenblicke haben sich mir seitdem wohl für immer in meine Erinnerung gebrannt: Diese komplett vibrierende Fassade, diese Energie, die einem schon im Treppenhaus entgegenkam und die allenfalls mit den ersten Momenten im Berliner Berghain vergleichbar ist. Drinnen spielten in dieser Nacht DJ Pierre und Neil Landstrumm, der damals auch noch das auflegte, was man so gerne als „Schranz“ bezeichnete. Als klassische Landeier sind wir erstmals mit all dem in Kontakt gekommen, was gemeinhin zum guten Technostil gehörte: Die verstrahlt-glücklichen Gesichter auf der Tanzfläche, die exstatische Freundlichkeit, die einem sofort das Gefühl gab, „dazuzugehören“ und natürlich auch das quietschbunte Interior, das nur so vor verdrogter DIY-Attitüde strotzte. Kenner werden vielleicht sagen wir waren zu spät – nur ein Jahr später machte das Stammheim dicht – und wir hätten gar nicht die wirklich glorreichen Zeiten der 90er Jahre erlebt. Wie dem auch sei: Ich hatte zwar schon vorher elektronische Musik gehört, aber in dieser Nacht habe ich angefangen, Techno zu lieben.
Ich hab die Doku vorhin durch Zufall bei YouTube entdeckt und gleich in voller Länge angeschaut. Da wurden schon so einige Erinnerungen wach! Schade nur, dass so wenig Original-Videomaterial enthalten ist. Aber damals hat halt noch nicht jeder mit seinem Smartphone gefilmt. Leider muss ich Dir aber zustimmen: Du hast tatsächlich die besten Zeiten verpasst! Ich war schon zu „Aufschwung Ost“-Zeiten jedes Wochenende dort und was damals abging, konnte man mit dem späten Stammheim überhaupt nicht vergleichen. Im Gegenteil: Das späte Stammheim hatte gegenüber den „goldenen Tagen“ schon drastisch nachgelassen. Aber egal: Es war ein toller Ort mit einigen wirklich legendären Parties, wie ich sie danach nie wieder irgendwo erlebt habe!