Sinkt die Aufmerksamkeit für Musik?

Beitrag #38363 zu dem Thema „Digitalisierung und Hörverhalten“, aber trotzdem schön gesagt von Graeme Thomson:

Does anyone still do this when they get a new release: sit down and physically play it over and over again while giving it their sole, undivided attention? Is the sense of breathless anticipation impossible to recreate in the digital age, when we might already have access to a leaked version, or heard a few songs on MySpace or YouTube? Whether we download or buy CDs, most of our music is instantly fed into a vast swirling swamp of existing music. Do you leave a new album to the Darwinian vagaries of the shuffle function? How many spins does it get before you start automatically skipping one of the supposed weaker tracks? Is there room for „the grower“ any more?

Ich bin ehrlich: Ich persönlich ertappe mich auch immer öfters, ein Album beim ersten Hördurchgang erstmal im Schnelldurchlauf zu evaluieren, und es ist in der Tat erschreckend wie schnell ich mir darauf basierend unfreiwillig eine Meinung bilde. Zum Glück kann diese beim zweiten, dritten Mal noch ins Gegenteil umschwenken (so geschehen beispielsweise bei der aktuellen Róisín Murphy Platte), aber noch vor zwei, drei Jahren habe ich mir einfach die Zeit genommen ein Album wirklich komplett von vorne bis hinten durchzuhören, und zwar ohne nebenbei zu surfen, chatten, Essen zu machen oder U-Bahn zu fahren.
Zeit ist inzwischen knapper, und es kommt seltener vor, dass ich wirklich mit Kopfhörern auf dem Bett oder in der Badewanne liege und meine ungeteilte Aufmerksamkeit der Musik widme. Diese Momente sind inzwischen Alben und Künstlern vorbehalten, die ich entweder schon lange kenne, oder auf die ich mich schon lange freue. Stichwort: Übersättigung. Angesichts der Promos, die jeden Morgen in die Redaktion hereinflattern, scheint es fast unmöglich jedem Release die gleiche Aufmerksamkeit, die gleiche Hingabe, zu schenken.

Natürlich ist das nichts neues, dass mp3, iPod & Co. uns einfach mehr (oder zu viel) Musik zugänglich machen, so dass man teilweise das Gefühl hat, alles fließt nur noch in einem formlosen Brei zusammen. Zumindestens mir geht das eins, zwei Mal pro Jahr so, und ich helfe mir damit einfach mal ein paar Tage keine bzw. wenig Musik zu hören. Die interessante Frage ist nicht ob das so ist, sondern inwiefern kann eine Gesellschaft, die auf immer schnellere Verarbeitung bei sinkender Aufmerksamkeitsspanne drängt, unser Hörverhalten wirklich beeinflussen? Das wär mal ein Thema für eine wissenschaftliche Arbeit…

2 Comments

  1. coicoi

    in der musikredaktionellen sphäre scheint das dann noch in zweierlei perversitäten auszuarten… a) man rezensiert eine platte, ohne sie wirklich gehört zu haben oder b) man rezensiert die platte bevor sie erscheint!
    http://www.zeit.de/online/2008/09/black-crowes

    b) eigentlich repostwürdig…

    sich als musikredakteur rauszureden, man hat keine zeit platten zu hören, ist wie ein arzt der keine zeit hat eine gründliche diagnose durchzuführen.krankhäuser sind auch überfüllt…“it’s yer fuckin‘ job.. man…“

  2. Eikman

    Haha, der Artikel ist ein Knaller. Ich würde gerne mal das erwähnte Review lesen und mit der eigentlichen Platte vergleichen.

    Bei einigen Bands kann man ja in der Tat schon vorher erahnen wie die nächste Platte klingen wird. Überhaupt kann man sich bei Rezensionen ja auch immer gut rausreden, indem man nicht auf die Musik eingeht, sondern auf alles mögliche darum. Die „Platten der Woche“ bei SpOn sind auch immer so ein Beispiel, wie man 1000 Zeichen schreiben kann, und nur in einem Nebensatz überhaupt erwähnt wie die Platte eigentlich klingt….

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