Burak Sar, besser bekannt als SiS, kann sich nicht beklagen. Als ich ihn im Frühjahr diesen Jahres, nach zwei verschobenen Terminen endlich in Frankfurt erwische, nachdem er mir schon in Stuttgart krankheitsbedingt durch die Lappen gegangen ist, schwärmt er noch vom vorherigen Sommer. Kein Wunder, in nur einem Jahr ist er vom Shootingstar zu einem der gefragtesten Produzenten und Remixer der neuen Technowelle avanciert – Tracks wie Nesrib und das etwas eigenwillige Trompeta auf Ricardo Villalobos‘ Label Sei es Drum haben ihn in diverse Charts zum Jahresende gehoben. Und dann wäre da natürlich noch die Verbindung mit einem der vielleicht erfolgreichsten deutschen Technolabel der letzten Jahre: Cécille aus Mannheim, mit denen SiS eine sehr innige Freundschaft pflegt. Doch das ist nur der Anfang. Gerade vor kurzem ist SiS nach kurzem Aufenthalt in Offenbach nach Berlin gezogen, um seiner Arbeit als Produzent endlich mit voller Aufmerksamkeit nachgehen zu können. Dazu hat er noch sein eigenes Label gestartet und einen DJ-Schedule am Laufen, bei dem es selbst älteren Hasen schwindlig werden könnte. Zwischen Wohnzimmerproduktion und Jetset – wir befragten den umtriebigen Mann im Auftrag von Resident Advisor, und stellen fest: trotz des Erfolgs ist man erstaulich bodenständig geblieben. Wir schauen mit SiS auf den nächsten Sommer.
2008 war ein gutes Jahr für dich, oder?
Ohja, definitiv. Es lief zwar auch vorher schon gut, aber man kann doch sagen, dass 2008 auf jeden Fall das bis dato beste Jahr war. Der Sommer war einfach fantastisch!
Wann hast du angefangen zu produzieren und wie bist du mit den Leuten von Cécille in Kontakt gekommen?
Ich habe so gegen Ende 2003 angefangen zu produzieren. Die erste Platte kam dann 2005 auf Amused Records raus, einem der Label von Nick Curly, der jetzt auch Cécille und 8Bit betreibt. Das kam alles ganz zufällig, da ich ein Mädel kannte, die mit Nick Curly zusammen war. Sie hat dann gemeint, dass ihr Freund ein Label betreibt, und mich gefragt, ob ich ihm nicht mal ein paar Tracks geben will. Das war dann eigentlich der Anfang von allem.
Du hattest dann auch gleich das zweite Release auf Cécille. Fühlst du dich dieser weit diskutierten Frankfurt-Mannheim-Achse zugehörig?
Ich muss ehrlich sagen, dieses ganze Brücken- und Ecken-Gerede interessiert mich einen Scheiß! Das wurde im letzten Jahr so breit getreten, das kann doch keiner mehr hören. Es ist mir egal, wo man meine Musik hinzufügt, hauptsache sie kommt an. Natürlich sehe ich mich als Teil von Cécille, es ist auch mein Hauptlabel, und wenn es da keine Freundschaft gäbe, wäre die Zusammenarbeit auch nicht möglich. Alles darüber hinaus ist aber doch nichts anderes als Politik, und damit will ich nichts zu tun haben. Das sollen Leute machen, die nichts mit der Musik am Hut haben…Journalisten zum Beispiel, aber nicht persönlich nehmen! es wird nur immer viel zu viel geredet…
Hattest du dich am Anfang noch nach anderen Labels umgeschaut?
Außer den Jungs von Cécille habe ich sonst nur noch Luciano ein paar Demos in die Hand gedrückt wenn er da war. Ich habe auch von mir aus einfach nicht viele Label gefunden, auf denen ich meinen Sound hätte sehen können. Und die Labels vermutlich auch nicht meinen.
Wieso das?
Ach, meine ersten Tracks waren noch viel verspielter, da ist noch um einiges mehr passiert, und das war den meisten einfach ein wenig too much. Ich denke, inzwischen habe ich mehr meine Linie gefunden.
Trotzdem waren zwei deiner Tracks aus dem letzten Jahr – Nesrib und Trompeta – ein Riesenerfolg…
Ich muss heute immer noch Trompeta bringen wenn ich live spiele. Die Leute wollen es hören, und ich glaube auch, dass manche nur kommen um diesen Tracks zu hören. Ich hätte nie erwartet, dass dieser Track so eine Resonanz bei den Leuten hervorrufen würde, und dass er einmal der stärkste Moment in meinem Liveset sein wird.
Hat man dann noch Lust, den jede Nacht zu spielen?
Ich muss zugeben, dass er mich inzwischen selbst teilweise langweilt. Aber er bringt mich gleichzeitig auch immer wieder zurück nach Ibiza letzten Sommer. Das ist Fluch und Segen eines Hits, so geht es aber anderen Produzenten oder Bands auch. Irgendwann lässt das Bedürfnis nach und man entwickelt sich weiter.
Wie bist du zu diesem doch sehr eigenwilligen Trompetensample gekommen?
Auch das war mehr oder weniger Zufall. Ein Freund hat mich in Offenbach besucht und hatte einige Tracks auf seinem mp3 Stick mit unterschiedlichsten Genres. Aus Interesse habe ich mir dann diesen Remix von „Balkan Beatbox“ runtergezogen, der die Trompete enthält. Am gleichen Abend, noch bevor ich ins Robert Johnson bin, habe ich dann den Track zwischen Tür und Angel zusammengeschraubt.Überhaupt suche ich gar nicht aktiv nach Samples. Wenn ich mal ein interessantes Vocal oder Acapella Sample höre, dann sticht das meistens heraus und sagt mir auch, was ich damit machen kann. Ich bekomme viele Sachen von Freunden, die ich dann gelegentlich durchhöre und dabei auch das ein oder andere finde.
Trompeta kam dann auf Villalobos‘ Sei Es Drum Label heraus. Wie kam es dazu?
Es wusste keiner genau, was mit dem Track passiert. Als Ricardo und ich zusammen im Cocoon waren, habe ich ihm gesagt, dass der Track noch nicht veröffentlicht sei, und da meinte er von sich aus, machen wir es eben auf seinem Label. Sei es drum halt. (lacht)
Du bist also auch mit Ricardo so auf einer Wellenlänge?
Ich würde mich niemals mit Ricardo auf eine Stufe stellen, der Mann ist in jeder Hinsicht, musikalisch, als DJ und als Produzent, eine eigene Liga. Ich glaube auch nicht, dass unser Sound ähnlich ist. Aber natürlich muss da schon eine musikalische Seelenverwandschaft vorhanden sein, sonst würde er nicht die Tracks von mir spielen oder meine Sachen herausbringen. Aber auch zu sagen, dass wir jetzt beste Kumpels sind, wäre übertrieben, dafür haben wir beide auch viel zu wenig Zeit momentan. Man sieht und trifft sich eben gelegentlich beruflich, aber das sollte man alles nicht überbewerten.
Du bist gerade erst von Offenbach nach Berlin gezogen – eine reine jobtechnische Entscheidung?
Auch das hat sich recht spontan ergeben, ich wollte da nicht dem Schema des typischen DJs folgen, der nach Berlin zieht. Ich muss aber auch sagen, dass ich auch in Offenbach nur knapp ein Jahr gewohnt habe. Wir hatten in unserer Wohnung einen Rohrbruch, gleichzeitig haben wir von der Wohnung in Berlin erfahren, und sind dann kurzerhand umgezogen. Es steht auch noch gar nicht fest, ob ich überhaupt in Berlin bleibe. Die Situation mit den Flügen und Reisen kotzt mich jetzt schon, da ist Frankfurt um einiges praktischer. Das Gute ist ja momentan, dass ich mir aussuchen kann, wo ich wohne, solange es in der Nähe eines Flughafens ist. Mal schauen, wo mich meine Reise noch hinführt.
Wenn du erst so spät in die Stadt gezogen bist, wie bist du überhaupt zur elektronischen Musik gekommen und wann hast du dich dazu entschieden, selbst zu produzieren?
Wir waren natürlich schon in den Clubs unterwegs. Ich komme ursprüglich aus Michelstadt im Odenwald, und meine ersten Erfahrungen habe ich natürlich im U60 in Frankfurt gemacht, danach kam dann gleich das Robert Johnson. Das wurde dann immer mehr zu meinem Wohnzimmer (lacht). Ich habe dann immer mehr elektronische Musik gehört und mir irgendwann gedacht, wenn Leute, die keine Instrumente spielen, auflegen können, dann kann ich das als Musiker auch.
…Musiker?
Ich habe früher ein paar Instrumente gespielt, wir hatten auch mal eine kleine 2-Mann Band, mit der wir etwas gejammt haben, aber alles eher im Bereich von Rockmusik, nicht weltbewegendes
Was mir aufgefallen ist, ist dass es über dich relativ wenig Infos im Netz gibt. Ist das bewusst von dir so gewählt?
Ich möchte keinen auf Business-Techno machen. Mir geht es momentan schon wie ein König, gerade im Vergleich zu dem, wie es früher war, das kann auch jeder der mich kennt bestätigen. Da gibt es Leute, die da eine unterschiedliche Meinung haben, aber warum sollte ich das alles noch mehr pushen, meine eigene Homepage machen und mit Infos um mich werfen? Ich bin bei MySpace, das ist das größte Netzwerk überhaupt, was will ich denn mehr, warum sollte ich meinen Fans den Weg noch erschweren?
Du meinst durch zu viele Informationen?
Ja klar, für was braucht man denn heutzutage drei Seiten für die gleichen Infos? Durch diese Informationsflut wird doch alles irgendwie verschwommen, daher versuche ich alles auf einem Minimum zu halten und die Musik für sich sprechen zu lassen.
Und wie stehst du zu Digital Releases, die ja immer mehr an Bedeutung gewinnen?
Ich bin eigentlich ein klassischer Vinyl-DJ. Aber seitdem ich auch Livesets spiele, ist die Möglichkeit, auch mit Traktor Scratch aufzulegen um einiges komfortabler geworden. Ich bin daher auch der letzte, der dieses „mp3 kills vinyl“ Klischee bedient. Sind wir ehrlich, den Soundunterschied bekommt eh keiner mit – nicht der DJ, nicht die Leute auf dem Dancefloor. Da ist auch viel Klugscheißerei und Fachsimpelei am laufen. Solange da oben nicht einer steht und ohne Controller nur die Tracks mit Traktor synchronisiert, soll man doch machen was man will.
Der Performance-Aspekt ist dir also auch sehr wichtig?
Naja, irgendwie schon. Ich meine, sonst könnte auch meine Oma da oben stehen. Irgendwas will man den Leuten ja auch bieten, die sollen auch sehen, dass man etwas macht.
Was hast du noch für diesen Sommer geplant?
Zum einen habe ich vor kurzem mein eigenes Label Cocolino Records gestartet. Dann kommt wohl noch ein Mix für die Body Language Serie auf Get Physical, und mit Johnny D habe ich auch noch eine Überraschung geplant..
Damit wären wir ja wieder bei Cécille…
Wie gesagt, wir sind gute Freunde, aber alles darüber hinaus ist Interpretation…aber ich bin froh, so eine Homebase zu haben!
Dieses Interview ist zuerst in Englisch auf Resident Advisor erschienen.