Was definiert einen musikalischen Durchbruch? Die Anzahl der veröffentlichten Platten in einem bestimmten Zeitraum? Die Nummer der Auftritte, gegebenen Interviews, Facebook-Fans? Oder einfach nur die Tatsache, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. So jedenfalls würde wohl der Augsburger DJ und Produzent Daniel Bortz seinen jüngsten Erfolg erklären. Nach mehreren Jahren als DJ und zahlreichen 12″-Veröffentlichungen, ist Bortz spätestens im vergangenen Jahr im internationalen Geschäft angekommen. Mit seiner neuen Platte auf dem Berliner Label Suol im Schlepptau trafen wir Bortz in Berlin zum Gespräch.
Daniel, du bist gerade auf dem Weg auf ein Festival und die Saison geht gerade erst los. Bist du ein Fan von Festivalgigs?
Ach, das kann ich gar nicht richtig sagen, denn ich habe noch nicht auf allzu vielen gespielt und war auch selbst früher nie auf Festivals. An und für sich spiele ich sehr gerne draußen auf Open-Airs, aber Festivals sind natürlich immer noch etwas größer. Ich bin eigentlich kein Fan von großen Line-ups, sondern mag es lieber beschaulich. Mir sind auch die anderthalb oder zwei Stunden, die man auf Festivals hat, eigentlich zu kurz.
Was wäre denn deine ideale Set-Länge?
Das kommt natürlich immer auf die Stimmung, das Publikum und den Club an. Drei Stunden finde ich schon in Ordnung, aber ich habe auch schon viele längere Sets gespielt. Wobei ich aber auch kein Fan von Partys bin, die nicht mehr aufhören. Ich finde es schon ok, wenn es dann zu Ende ist und es ein schöner Abend war.
Jede Party muss irgendwann vorbei sein.
Ich finde das einfach angenehm wenn alle Besucher mit einer guten Erinnerung an die Nacht gehen. Das ist doch schöner als wenn es sich irgendwann verläuft und am Ende nur noch zehn Hansel rumspringen. Dann fragt man sich schon, ob die letzten zwei Stunden denn jetzt wirklich noch sein mussten. Ich mag auch keine Location-Wechsel oder Doppel-Bookings. Wenn es auf einer Party vorbei ist, dann ist es in der Regel auch gut.
Es ist fast vermessen, dich als Newcomer zu bezeichnen. Würdest du trotzdem sagen, dass im vergangenen Jahr so etwas wie dein Durchbruch war?
Ich sehe es als „gesundes Wachsen“, wie man so schön sagt. Ich kannte immer schon gute Leute, aber ich war einfach nie der Typ, der Promos verschickt hat oder sich in irgendeiner Form aufgedrängt hat. Keine Ahnung, vielleicht ist jetzt einfach der richtige Zeitpunkt für die nächste Stufe. Ich bin ganz froh darum, weil ich mit meiner Erfahrung auch die „großen“ Gigs sehr entspannt angehen konnte, als sie dann kamen.
Es ist das Gleiche, ob du nun in Augsburg oder Ibiza auflegst.
Mehr oder weniger, ja. Die Aufgabe ist ja immer ähnlich: Ich möchte das Publikum begeistern. Natürlich ist man immer etwas euphorischer, wenn man in einem super Club mit einer super Anlage und supercoolen Leuten auflegt, die auch die eine oder andere Überraschung mitmachen. Das ist doch ganz klar. Aber bin ich aufgeregter? Nö.
Erzähl uns etwas über Augsburg. Gibt es dort eine House-Szene?
Augsburg ist halt eine klassische Kleinstadt und alles ist viel ruhiger, verhaltener. Es gibt in Augsburg aber viele Künstler, darunter sehr tolle Grafiker beispielsweise. Und was viele nicht wissen, ist das Augsburg eine der größten Band-Dichten Deutschlands hat. Es gibt sehr talentierte Jazz-Musiker, eine kleine Hip-Hop-Szene, und natürlich auch ein paar Leute, die House und Techno machen. Man muss aber auch sagen, dass die Stadt schon sehr spießig ist und diesen Leuten nicht allzu viel Support bietet. Man muss sein Ding schon selbst in die Hand nehmen, deswegen ist alles etwas eigenbrötlerisch.
Siehst du es als Herausforderung, dort etwas aufzubauen?
Es ist schon so etwas wie eine Aufgabe oder eine Mission mein Ding in „meiner“ Stadt zu machen. Das Schöne ist ja, dass man dabei die Möglichkeit hat, auch vielleicht mal etwas anderes zu machen, eine Alternative quasi. Vielleicht mal Musik zu spielen, die man vielleicht kennt, aber nicht so oft in Clubs hört.
Zurzeit versuche ich auch andere junge House- und Techno-Produzenten anzuregen und etwas zu pushen. Ich helfe einigen Leuten ein wenig bei den technischen Dingen, bei den Arrangements oder auch beim Abmischen. Ich glaube, wir bauen uns gerade in Augsburg ein kleines Netzwerk auf.
Deine Tour führt dich demnächst auch nach Nordamerika. Ist es dein erstes Mal dort?
Ja, ich war nur letztens schon einmal in Südamerika. Aber ich muss sagen, dass ich bevor es mit dem Auflegen richtig losging noch nirgends war [lacht]. Ich bin das erste Mal überhaupt erst 2009 geflogen weil ich einen Gig hatte.
Versuchst du, das nun irgendwie aufzuholen?
Schön wäre es, aber leider bleibt dazu doch sehr wenig Zeit, weil der Tourplan meist eng gestaffelt ist. Aber wenn ich an einem Wochenende mal eher da bin versuche ich schon, mir die Stadt anzusehen. Es bleiben zumindest kurze Eindrücke, die man mitnimmt.
Ist es für dich als House-Produzent etwas Besonderes, in Städten wie Chicago oder New York zu spielen?
Du meinst wegen der Geschichte? Ich bin zwar mit der Musik und den alten House-Platten aufgewachsen, aber über die Jahre hat so ein krasser Generationswechsel stattgefunden, dass mir inzwischen andere Sachen wichtiger sind. Ich sehe die Dinge immer nur aus der jetzigen Perspektive. Natürlich haben diese Städte eine Geschichte, aber merkt man das heute noch wenn man dort ist? Heutzutage ist doch die Musik viel globaler und zerstreuter. Die jungen Clubbesucher in New York haben doch heute nicht mehr Bezug zu Platten aus New York als zu Platten aus Berlin.
Wie schaffst du es bei deinem vollen Tourplan überhaupt noch nebenbei zu produzieren?
Das frage ich mich auch [lacht]. Aber ernsthaft, Ich habe momentan nicht wirklich Zeit zum Produzieren, ich sammle lediglich Ideen, zum Beispiel wie ich mein Sounddesign noch etwas optimieren kann, beim Abmischen und so. Ich habe zwar probiert, auch mal während der Reisen zu produzieren, aber das geht nicht. Ich kann nicht nur mit Kopfhörern Musik machen, keine Chance.
Wenn du produzierst, dann setzt du dich also auch mal länger in dein Studio?
Ich bin eigentlich ein klassischer Nerd: Seit ich 12 bin, habe ich Platten gesammelt, aufgelegt und in meinem Zimmer gesessen und Musik gemacht. Ich bin aber auch ein einsamer Musiker; wenn ich dann mal die Zeit habe, sitze ich öfters auch mal die ganze Nacht im Studio und produziere dabei auch sehr viele Tracks.
Wie hat sich deine Musik entwickelt über die Jahre?
Als ich angefangen habe, habe ich vor allem eher Downbeat, Trip-Hop und auch ein paar experimentelle, schräge Sachen gemacht, teilweise auch ein bisschen arty. Ich hab auch Hip Hop gemacht, mit Freunden gerappt und so. Mir ist wichtig, dass ich mich dabei nicht langweile. Ich will mich nicht im Studio langweilen, ich will mich nicht hinter dem DJ-Pult langweilen, und ich will mich auch nicht auf einer Party langweile. Also probiere ich Sachen aus, die auch mal komisch sein dürfen. Dafür muss man sich auch nicht schämen.
Wann bist du dann zu House gekommen?
House und Techno habe ich eigentlich schon immer aufgelegt. Ich finde, das muss sich auch alles gar nicht ausschließen. Ich versuche zum Beispiel, meine Musik Hip-Hop-mäßig abzumischen.
Inwiefern?
So vom Klangbild her: Ich versuche, mich auf Bassdrum, Claps und Snare zu konzentrieren, möglichst wenig Höhen zu verwenden und die Frequenzen im oberen Bassbereich anzuheben. Man stellt sich ja immer die Frage, wie man klingen möchte. Ich wollte eigentlich immer diesen Hip Hop und R&B Sound haben.
Viele deiner Produktionen enthalten Vocal-Samples, die durchaus dem R&B entstammen könnten. Hängt das damit zusammen?
Vocals fand ich schon immer geil – auch in elektronischer Musik. Sachen wie Blake Baxter, die Dance Mania Sachen aus Chicago, düstere, runtergepitchte Vocals oder Loops. Da kommt glaube ich alles zusammen, meine Liebe für Hip Hop auf der einen und Techno auf der anderen Seite. Es gab auch eine Zeit, in der ich viel poppige Musik produziert habe, sehr melodiös, nach klassischen Radio-Arrangements produziert, mit Gesang und allem.
Sind die Sachen jemals rausgekommen?
Nein. Manchmal bist du für Underground zu Pop und für Pop zu Underground, wenn du weißt was ich meine. [lacht] Jetzt gerade könnte es wieder funktionieren. Aber hey, ich sehe das nicht so ernst. Man muss nicht alles veröffentlichen. Ich gab ohnehin ein paar Releases, die ich heute vielleicht rausgestrichen hätte…
…das ist eine ungewohnte Aussage für einen Produzenten.
Ach, weiß ich gar nicht, ich glaube das geht doch noch einigen anderen so. Ich sag mal: Ich möchte heute nur noch Platten veröffentlichen, die ich auch selber spiele. Und das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Versteh mich nicht falsch, ich weiß, was ich mit diesen Sachen gemeint habe und welche Stimmung sie transportieren sollten, aber sie passen einfach nicht mehr in meine Sets. Vielleicht, weil ich mir damals schon unsicher war, ob ich sie überhaupt rausbringen möchte und bei einigen Sachen auch die Labels habe entscheiden lassen. Das würde ich heute nicht mehr machen. Heute sag ich ganz klar „so und so möchte ich die EP machen, keine Remixe“.
Moment, du möchtest keine Remixe von deinen Tracks haben?
Es gab auch schon einen Remix von einem meiner Tracks, mit dem ich sehr zufrieden war. Und natürlich gibt es viele andere tolle Remixe. Aber es gibt eine Überflutung an Tracks, und mich nervt dieser Remix-Wahnsinn ungemein.
Manchmal hat man das Gefühl, dass sich Platten nur verkaufen, weil ein bekannter Remixer draufsteht.
Ganz genau, das versuche ich zu verhindern. Wenn ein Track nicht gut genug ist, und man noch einen Remix braucht, dann braucht man ihn auch nicht rausbringen. Ich kann schon verstehen, dass viele Newcomer sich hier von Labels beeinflussen lassen. Mir ging das ähnlich, ich habe auch einige Zeit gebraucht, um auch das Selbstbewusstsein und die Erfahrung zu haben, meine Meinung durchzusetzen.
Deine aktuelle Platte Heal the World beispielsweise scheint nochmal etwas langsamer zu sein als die vorherigen, oder?
Stimmt, ein Track läuft auf 99 bpm. Ich persönlich finde die Sachen um die 100 bpm sehr geil, vielleicht kommt das auch durch meine Liebe zu Downbeats. Leider spricht jeder von einem ‚Slow-Mo‘, Deephouse-Vibe, der meiner Meinung nach aber so gut wie nicht vertreten ist in den Clubs. Es gibt zwar eine Szene für diesen langsamen, diskoiden Sound, aber nur wenige Leute spielen diese Sachen auch. Ich komme selbst nicht dazu, weil ich oft zur Primetime auflege und vor mir und nach mir noch andere spielen.
Warst du froh, dass Suol diese Stücke auch angenommen hat?
Definitiv, auch wenn ich gestehen muss, dass ich das Label vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Ich habe einfach ein paar Stücke an befreundete DJs in Berlin weitergegeben, von denen dann der ein oder andere bei Suol angekommen ist. Die haben mich dann angeschrieben und wollten einen Track haben. Am Ende wurden es dann noch drei andere. Ich habe bei den ersten Telefonaten mit den Jungs schnell erfahren, dass sie auch auf diesen langsameren Sound stehen. Das finde ich sehr schön – ein Label zu haben, die auch mal Tracks auf 100 bpm rausbringen. Das gibt es tatsächlich gar nicht so oft in dieser Szene.
Dieses Interview ist zuerst auf Resident Advisor erschienen. Titelbild: Anna Massignan