Es hat Tradition. Nicht nur der alljährliche TheLastBeat-Jahresrückblick, der nun schon in die sechste Runde geht, sondern auch die Tatsache, dass er immer etwas später kommt als der Rest. Mea culpa. Aber immerhin kann niemand sagen, wir hätten nicht wirklich bis zum Schluss gewartet.
Manchmal braucht es das ja auch, dieses in-sich-Gehen am Jahresende. Wenn man das Jahr noch einmal Revue passieren lässt, mit seinen Höhen, Tiefen und den Songs, die das alles begleitet haben. Und was war das für ein Jahr: Gefallene Schurken, düpierte Politiker, die Krise, die Katastrophen.
Schade nur, dass es musikalisch eher so mittelspannend war – aber sage ich das nicht schon seit Jahren? Und doch: wenn schon Bands wie Radiohead anfangen, belanglose Platten unter das Volk zu bringen (ich weiß noch nicht einmal mehr, wie das Album hieß), muss doch irgendetwas nicht stimmen. Vielleicht liegt as auch nur an mir. Denn es gab ja doch die ein oder andere Überraschung: Disco und der Edit feierten spätestens dieses Jahr ein Comeback, Dub- und Half-Step wildert einmal mehr in anderen Genre-Gefilden und bandelt stark mit Juke an. Und plötzlich entdecken auch die House-Produzenten wieder Ambient für sich. Wie sonst lassen sich die zahlreichen beatlosen Passagen auf vielen Alben erklären? Also vielleicht ist doch alles gar nicht so schlecht.
Nun denn, auf zum Hauptgang. Da ich persönlich dieses Jahr noch weniger Singles gehört habe als zuvor und von den Bestenlisten der einschlägigen Seiten bestenfalls ein Viertel kenne, gibt es dieses Jahr auch entsprechend weniger 12″s. Dafür allerdings eine Extra-Dosis Alben. Und während meine Liste fast schon erschreckend vorhersehbar ist für alle, die diese Rubrik länger verfolgen, hat der werte Kollege Kai/Rydm dann doch noch ein paar Obskuritäten ausgegraben. Viel Spaß.
Eikes Alben des Jahres
The Weeknd – House of Balloons / Thursday
In der Jahresendausgabe der De:Bug wurde diese Platte heiß diskutiert: Handelt es sich bei The Weeknd etwa nur um einen Marketingstreich? Ist die Platte nicht viel zu gut produziert, um wirklich in irgendeinem Wohnzimmer entstanden zu sein? Sind diese Texte über Drogen und Sex nicht zu affektiert für einen gerade Mal 20-jährigen? Es sind berechtigte Fragen, die sich nach dem sensationellen Debüt von Abel Tesfaye stellen, als er es im Frühjahr gratis im Netz veröffentlichte. Fakt ist, dass Tesfaye seitdem noch zwei andere Alben in ähnlicher Form rausgehauen hat, und bis zum Spätsommer keinerlei Gigs spielte – ein finanziell wohl eher unerfolgreicher Marketingstreich. Und dann ist da ja noch diese eigenartige Mischung aus Musik und Text, dieser abgefuckte Post-R’n’B, der sich um „Kokain und Koitus“ dreht, wie ich das im Sommer geschrieben habe. Das mag eine Masche sein, in seiner Wirkung büßen House of Balloons und der Nachfolger Thursday nichts ein. The Weeknd hat reingehauen wie ein Schlag in die Magengrube – den anschließenden Auskotz gab es inklusive.
Gang Gang Dance – Eye Contact (4AD)
Der Track des Jahres? Glass Jar von Gang Gang Dance. Ein sechs minütiges Intro mündet in das wohl beste Perkussionsegment des Jahres und entlädt sich in einer Energie, die in dieser Form kaum jemand hinbekommen hat. Die New Yorker Truppe hatte das immer schon ansatzweise in sich, ist aber in der Vergangenheit gerne Mal über ihre eigenen Ambitionen und Ideen gefallen. Auf Eye Contact machen sie eigentlich alles richtig: Die Synths sind immer noch futuristisch, aber weniger ausufernd, Lizzi Bougatsos darf endlich richtig singen und in den nahöstlich-asiatischen Grooves etabliert sich tatsächlich so etwas wie ein Leitmotiv. Trotzdem bleibt das stellenweise immer noch eine grenzwertig wahnwitzige Mélange, aber wenn sich Tracks wie Chinese High dann doch plötzlich und ganz ungezwungen öffnen weiß man, dass das doch alles irgendwo Pop ist. Live übrigens auch ganz große Klasse.
Ada – Meine Zarten Pfoten (Pampa)
Hätte man sich denken können, dass die Platte hier auftaucht, oder? Einfach, weil ich über die Jahre zu viele Ada Platten in den Himmel gelobt habe. Aber lag ich damit jemals falsch? Ich glaube nicht. Meine zarten Pfoten ließ als Nachfolger des eponymen Blondie stolze sechs Jahre auf sich warten und klingt genau so, wie man es gerade nicht erwartet hätte: Größtenteils selbst oder mit anderen Akustik-Musikern eingespielt, hat sich Ada vom bratzigen Elektro-Appeal ihrer Areal-Platten verabschiedet und packt hier für Pampa endlich die Vision von Pop aus, die sie eh schon immer in sich hatte. Das ist und bleibt großartig, diese Mischung aus Coversongs (Faith, The Jazz Singer), seltsamen Akustik-Interludes (Likely), verkappten Pop-Schunklern (Happy Birthday) und dann doch wieder ganz eigen- und einzigartigen Techno-Verschnitten (At the Gate, Intro). Und spätestens nachdem Ada mit Anke Engelke im ZDF quatschte, bekommt sie auch die Aufmerksamkeit, die sie schon lange verdient.
Destroyer – Kaputt (Merge)
Als ich die ersten Rezensionen von Destroyer sah, dachte ich sofort an irgendeine Retro-Punk-Rock-Band. Ich mein, die Truppe nennt sich „Destroyer“ und das Album heißt fieserweise auch noch ironisch-deutschtümelnd „Kaputt“ – ist das euer Ernst? Ich wollte schon die 70er anrufen und fragen, ob sie einen Act vermissen. Umso überraschender die Musik, die sich hinter dem Namen versteckt: Sehr anmutige, gefühlvolle Gitarrenmusik mit 80er-Jahre-Einschlag, die sich auch nicht zu peinlich ist, auch hier und da das Saxofon oder große Gitarren-Soli auszupacken. Wenn Retro immer so klingen würde wie Kaputt, man könnte sich fast dran gewöhnen.
Occam – My Rorschach (Pimodan)
Aus der Kategorie „Unerwartet“ kam zum Jahresabschluss dieses Album aus Ungarn daher. Tibor Lázár alias Occam, ein Drummer und Produzent aus Budapest, hat sich von seiner sonstigen Musik gelöst und ein Album mit neunköpfiger Band aufgenommen, das an das Cinematic Orchestra in seinen besten Zeiten erinnert. Eine latente Jazzigkeit begleitet dabei den Hörer, die aber geschickt in ein Netz von feinfühliger Elektronika und Dub vorwoben ist, das My Rorschach wiederum eine durch und durch mysteriös-faszinierende Note verpasst.
Fennesz + Sakamoto – Flumina (Commons)
Der Österreicher Christian Fennesz und der japanische Großmeister Ryuichi Sakamoto haben über die Jahre schon mehrere Platten gemeinsam veröffentlicht. Flumina ist von allen die umfassendste – und vielleicht auch beste. Ein Doppel-Album mit 124 Minuten von Fennesz’s dekonstruierter Gitarrenschleifen und perlender Elektronika, die weiterhin großartig mit den reduzierten Klavierfragmenten Sakamotos ergänzt wird. Ein Album wie aus einem Guss, wie ein zweistündiger, sehnsüchtiger Blick auf das wogende Meer des Covers.
Desolate – The Invisible Insurrection (Fauxpas)
Kommt mir schon viel älter vor, dieses Album. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass Sven Weisemann hier als Desolate tatsächlich stark auf der Burial-Schiene fährt. Das spricht natürlich zu erst einmal für den Engländer, dass sein Sound nun schon zum Paradigma geworden ist. Aber Sven Weisemann weiß natürlich auch, dass er sich in gefährliches Gebiet wagt. Dass The Invisible Insurrection trotz ähnlicher Stimmungen und Samples nicht als billige Kopie zu verstehen ist, liegt nicht zuletzt an Weisemanns Fähigkeit, in die neblige Grundstimmung immer wieder kleine Melodien in Form von Piano- und Streichertupfern einzupflegen. Auch deswegen klingt Desolate am Schluss etwas samtiger und geschliffener als sein Londoner Kollege.
BOY – Mutual Friends (Grönland)
Das Quoten-Pop-Album des Jahres. Musikalisch ist das Debütalbum des Hamburger Duos BOY objektiv betrachtet so spannend wie ein Spiel des HSV, aber dafür sind die Beiden schöner anzuschauen. Spaß beiseite, Mutual Friends besteht tatsächlich aus zwölf schmissigen kleinen Poptracks mit teilweise durchaus cleveren Texten, die natürlich allesamt die Schwierigkeit großstädtischer Zwischenmenschlichkeiten betreffen. Sei’s drum, wenn mir dieses Jahr in der U-Bahn morgens die ganze Elektronik-Scheiße auf die Nüsse ging, habe ich BOY gehört. Und es hat sich gut angefühlt. Und wie kann man einen Song wie Skin nicht mögen? „You can make your life look pretty, add a little Ice & Gin.“ Right on.
Steffi – Yours & Mine (Ostgut Ton)
Steffis vermeintlich bester Track in diesem Jahr – das fast schon schmerzhaft traurige Sadness – ist nicht auf ihrem Debütalbum zu finden. Umso erstaunlicher, dass die Residentin der Panorama Bar noch neun weitere Stücke parat hat, die Yours & Mine trotzdem zu einem der besten House-Platten des Jahres machen. Steffi hat das schon mit ihren letzten Singles angedeutet, dass sie es versteht, die ganz großen Gefühle jenseits der Tanzfläche zu wecken, diese für oft so schwer zu fassende Mischung aus Tanzbarkeit und Emotionen. Ein Album das klingt, als würde das Chicago der 80er Jahre noch in irgendeinem Friedrichshainer Hinterhof weiterleben. Aber das würde ihm nicht gerecht werden, es nur auf seine Einflüsse zu reduzieren. Dafür hat Yours & Mine viel zu viel eigenen Charakter.
13 & Ghost – Your Own Ghost (Alien Transistor)
Die zweite transatlantische Kooperation zwischen The Notwist und den Weißbrot-Indie-Rappern von Themselves klingt erstmal so, als hätten beide Seiten ihre eigenen Stücke aufgenommen. So gesellen sich rumpelnde Hip-Hop-Cuts zum typischen Weilheimer Klanguniversum. Und doch, hört man genauer hin merkt man, wie genau hier alles ineinander greift, wie Markus Achers leicht pathetischer Gesang mit den naselen Raps eines Doseone fusionieren und die kargen MPC-Beats von Jel mit den Gitarrenklängen harmonieren. Das ist und bleibt einfach spannend, diese Mischung zu hören. Und auch wenn sich Your Own Ghost thematisch vor allem um die eigene Vergänglichkeit und den Tod drehen, hat man am Schluss doch immer das Gefühl, dass es immer einen Ausweg gibt.
Moomin – The Story About You (Smallville)
Das erst dritte Album auf Smallville gehört hier rein, weil es einfach so wunderbar verschroben ist. Natürlich ist das alles (Deep-)House, was uns Moomin hier um die Ohren haut, aber gleichzeitig auch eine wahre Wundertüte an Referenzen. Diese kantigen Oldschool-Perkussion von Neither One, diese schunkelnden Basslines von I Wanna und nicht zuletzt auch das digitale Rauschen von Raw Like 97 – Moomin groovt sich hier einmal ungeschoren durch die Geschichte und ist trotzdem nur schwer zu definieren. Das ist weder was für den Dancefloor noch fürs Wohnzimmer, sondern irgendwo dazwischen, fast schon akademisch das Ganze. So etwas wie House für die Bibliothek vielleicht.
Lars Leonhard – 1549 (BineMusik)
Fieldrecordings treffen auf Dubtechno, so in etwa könnte man die Essenz von Lars Leonhards 1549 zusammenfassen. Tatsächlich ist das eines dieser Alben, deren Detailtiefe und Facettenreichtum sich erst beim mehrmaligen Hören erschließen. Denn es ist immer was los, selbst wenn es zuerst gar nicht so zu sein scheint. Sehr dicht, mit warmen Pads und Flughafen-Samples. Musik zum Reisen, wie man so schön sagt. Funktioniert aber auch für alle Daheimgebliebenen.
Grouper – AIA: Alien Observer / Dream Loss (Yellow Electric)
Meine Wertschätzung für Liz Harris dürfte weitreichend bekannt sein. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn sie weiterhin Alben wie in diesem Doppelpack veröffentlicht. Etwas weniger Lo-Fi (aber deswegen noch lange nicht mehr Hi-Fi) als auf den letzten Alben, verschließt sich Grouper einmal mehr im dronigen Ambient-Kabuff. Ihre ätherische Stimme dringt aus dem Nebel hervor, lockt den Hörer an, umgarnt ihn und zieht ihn dann immer weiter in die Dunkelheit hinein, in dieses Klanguniversum voller kleiner Partikel aus Gitarren, Feedback, versteckten Pianos und sanfter Elektronika. Grouper klingt immer noch wie ein Polaroid aus vergangenen Zeiten. „Hauntology“ war dieses Jahr ein vielzitierter Begriff. Grouper hat glaube ich niemand darunter subsummiert. Wieso eigentlich nicht?
Nebraska – Displacement (Rush Hour)
Na klar, Rush Hour darf ja irgendwo nicht fehlen dieses Jahr. Auf seinen Platten war mir Ali Gibbs aka Nebraska dann doch auf Dauer immer etwas zu schnarchig, auch wenn mir zwischen der Pop-Einschlag zwischen den House-Entwürfen doch ganz gut gefallen hat. Displacement setzte die Baupläne in die Tat um. Das Album ist mutiger als die Singles, lässt neben House auch Disco einfließen und ist sich nicht zu schade, an der ein oder anderen Stellen auch mal für Verwunderung zu sorgen. Zum Beispiel wenn Gibbs hinter die Streicher- und Synthie-Schaufel mal eben einen Ambient-Track einfließen lässt. Natürlich ist und bleibt das alles sehr retro – diese Disco-Chords, diese glitzernden 80er-Jahre Vocals. Aber immer gediegen und gut abgeschmeckt. Und wie viel besser ist die Albumversion von This Is The Way eigentlich?
The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble – From the Stairwell (Denovali)
Zugegeben, vielleicht eine Konsens-Entscheidung, weil ich das KDJE in den letzten Jahren sträflich übersehen habe. Dabei ist dieser „Doom Jazz“, den das internationale Kollektiv um Jason Kohnen (Bong Ra) in den letzten vier Jahren perfektioniert hat, einfach ziemlich große Klasse. Düster, intensiv, eindringlich. Saxophone, die die Luft zerschneiden, abstrakte Drumpattern und flirrend-aufgeladene elektronische Teilchen sorgen für den musikalischen Overkill – im allerbesten Sinne. Das ist Musik für die Endzeit; Musik, die dem drohenden Untergang noch ein letztes Mal ins Gesicht spuckt, weil sie so viel größer ist. Also quasi der perfekte Soundtrack für das kommende Jahr.
The Go! Team – Rolling Blackouts (Memphis Industries)
Fast vergessen hätte ich die dritte Platte des Go! Teams, das sich auf Rolling Blackouts schon ganz am Anfang des Jahres wieder auf die alten Stärken besann: Rollend-krachende Drums, absolut wahnwitzige Bläsereinsätze mit 70er-Jahre-Funk-Einfluss und massentauglichen Call-and-Response Texten. Und doch: Über allem steht da trotzdem eine gewisse Pop-Affinität, die den Hörer immer wieder zum Mitsingen bringt. Das macht einfach Spaß und klingt weiterhin so, als wäre es in einer Garage in Brighton aufgenommen und abgemischt. Kurz, sympathisch wie eh und je.
Knowone – LP001 (Knowone)
Ja wie heißt der Künstler nun? Unknown Artist, Knowone oder steckt hinter allem nun doch tatsächlich Brock van Wey alias Bvdub? Zumindest auf der ersten LP des obskuren Labels könnte man das sicherlich vermuten. Die typischen Bvdub-Flächen, Stimmungen und sehnsüchtigen Geangsfragmente sind hier definitiv vorhanden, allerdings ist das alles mit einer starken House-Note in Form von 4/4-Kickdrums oder dezenten Breaks ausstaffiert. Deephouse und Ambient haben in diesem Jahr selten so gut zusammengepasst.
Machine Drum – Room(s) (Planet Mu)
Ich erinnere mich noch an die verkopften Hip-Hop-Experimente von Travis Stewart auf Merck, als er vor fast zehn Jahren als Machinedrum anfing. Wer hätte gedacht, dass es ihn über eins, zwei etwas prollige Umwege eines Tages zu Planet Mu verschlägt? Tatsächlich macht das aber im Rückblick aber alles Sinn: Diese Mischung aus Half-Step, Juke und Futuretech auf Room(s), die vielleicht zu den im diesen Jahr prägendsten und spannendsten überhaupt zählte, ist quasi die Essenz aus all den mannigfaltigen Einflüssen, die Stewarts Musik schon immer inne hatte. Nur diesmal ist es fokussierter, mit einem klaren Sound vor Augen, auch wenn sich die Samples, Beats und Vocals noch immer gerne mal überschlagen dürfen. Eines der Alben des Jahres, keine Frage.
Sepalcure – Sepalcure (Hotflush)
Und wir schon dabei sind, dann gleich Travis Stewart mit seinem zweiten Streich in diesem Jahr: Unter dem Namen Sepalcure ist er mit seinem alten New Yorker Kumpel Praveen auf Hotflush unterwegs. Der Stil ist dem von Room(s) nicht ganz unähnlich, allerdings merkt man einigen Stellen Praveens Einfluss in den Melodien heraus, die hier doch ausgeprägter und weitreichender sind. Deswegen klingt Sepalcure im Vergleich auch etwas geschliffener, zurückhaltender und vielleicht auch einen Tick emotionaler. Wenn Room(s) der Soundtrack für den Club ist, dann kommt Sepalcure quasi auf dem Nachhauseweg. Müsste ich zwischen beiden wählen – ich könnte es trotzdem nicht.
Tim Hecker – Ravedeath 1972 / Dropped Pianos (Kranky)
Gleich zwei Alben (ok, sagen wir anderthalb) brachte Tim Hecker in diesem Jahr heraus. Ravedeath 1972 geht dabei noch die bekannteren Wege, ohne gewöhnlich zu sein: Das Grundgerüst des Album besteht nämlich diesmal aus Aufnahmen, die Hecker an einem Tag in einer Kirche in Reykjavik machte – größtenteils mit der dortigen Orgel. Das Ganze wurde anschließend ordentlich durch die Filter und Effekte gejagt, und mit der fast schon typischen nordisch-kristallinen Schärfe versehen, die sich seit jeher durch Heckers Oeuvre zieht. Die gibt es auch auf Dropped Pianos, allerdings diesmal mit klaustrophobischen Klavierklängen versehen, die offenbar aus der gleichen Session stammen. Als Doppelpack sicherlich eines meiner meist gespielten Alben in diesem Jahr.
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Kais Alben des Jahres
Peaking Lights – 936 (Not Not fun)
Schön im Feierabendverkehr auf der A3 in Richtung Main-Metropole brausen. Orange-weiße Lichterketten schieben sich in der Dämmerung endlos über die Hügel, der Dunst steht lauwarm, violett verfärbter Ozonlochhimmel, Arme baumeln aus den Fenstern, Sonnenbrillen werden verschwitzt zurechtgerückt. Der Sommer 2011 ist für immer mit dem Bongogetrommel von Amazing Wonderful durchtränkt. Diese Leichtigkeit! Die beiden Hippieschrullen Aaron Coyes und Indra Dunis zeigen auf 936, wie man mit vollkommen verpeiltem Gejamme den Nerv und die Herzen trifft. Never heard of digital, let’s record straight to tape. Eine tolle Doku schwirrt von den Beiden im Netz. Der verhuschte Aaron lötet darin in seinem Keller Geräuschgeneratoren aus Elektroschrott zusammen. Er weiß nicht genau, wie das alles funktioniert, aber der Sound stimmt und schwingt. Dann kommt Indra aus der Küche mit der Gitarre und die Studer wird für eine Runde Psy-Dub-Pop angeschmissen. Keine Frage: Der Himmel des Großstadtdschungels klang in diesem Jahr nach den lila Trommeln von 936.
Tiger & Woods – Through The Green (Running Back)
2011 war das Jahr, in dem der Disco-Edit endgültig wiederbelebt wurde. Wenn ein Album für das Revival steht, dann war es Through The Green des Duos Tiger & Woods. Wer dieses Jahr eines der Live-Sets der Beiden in den Knien und Hüften spüren durfte, weiß, die Krone ist mehr als verdient. Mehr Enthusiasmus und Fingerspitzengefühl bei der Reanimation von 80er Discogassenhauern wie beispielsweie The Way You Make Me Feel von Clarity geht nicht. Frei nach der Devise „Cheese raus, Groove rein“ loopen sich Tiger & Woods auf Through The Green durch zwei Jahrzehnte Diskokugel. Wem haben die beiden Knaller Love in Cambodia und Gin Nation vor lauter naivem Swing nicht die Tränen in die Augen getrieben und die Schweißbänder nass gemacht? Wer steckt denn nun hinter den beiden Diskohaubitzen? Spekulieren wir doch mal. Sie kommen aus dem Umfeld des Robert Johnson, soviel ist klar. Und welcher Resident dort steht wie keine anderer für die 80er-Madness? Oliver Hafenbauer natürlich. Nummer zwei kann dann nur sein Kollege Manuel Raven sein. Möglich wäre auch Christian Beißwenger, besser bekannt als CB Funk und Teil von Arto Mwambe. Mit letzterem veröffentliche Hafenbauer bereits eine EP als B.H.F. Tiger & Woods brauchen definitiv mehr Google-Einträge. Ist doch kein Tennis.
BNJMN – Plastic World (Rush Hour)
Orgiastische 360°-HiFi-Welten mit clubtauglicher Tanzbarkeit verbinden geht nicht. Denkste dir jahrelang, die Tiefe des Klangerlebnis Club reicht nur 10 Meter, sonst springt das Glas. Und dann präsentierten die Niederländer von Rush Hour 2011 aus dem nichts BNJMN. Der Engländer Ben Thomas ging auf dem legendären Label gleich mit zwei Alben an den Start. Das erste reicht schon, um komplett aus den Latschen zu kippen. Es klingt vertraut, es klingt nach Zukunft, aber einordnen lässt es sich nicht. Nur so sollte wirklich traditionsbewusster Techno sein: Grenzen sprengend und vollkommen überraschend. Wer bei Depressure oder Ocean Spray den Kopf vor lauter Endorphinen nicht in den Nacken legt und sich ins Glück wiegt, ist raus.
Kode9 & Spaceape – Black Sun (Hyperdub)
Der bekannteste Dubstep Künstler ist heute Skrillex. Genre-Papa Kode9 gehört dagegen fast schon zur Oldschoolgarde des gerade mal rund zehn Jahre alten Stils. Vielleicht nimmt Steve Goodman 2012 endlich mal die Papiertüte vom Kopf, die er auf zahlreichen Bildern trägt. Nur an der Universität rumhängen und irgendwas von Soundkrieg in den Bart nuscheln, kann doch auf Dauer nicht befriedigen. Goodman, setzt dir auch mal so eine Nerdbrille auf, rasiere dir einen Undercut und übe vor dem Spiegel werbewirksame Rockerposen mit dem Midicontroller. Ganz im Ernst, Kode9 ist keineswegs Oldschool. Von Anfang an dabei, beweist er auf Black Sun, dass er auch heute an der Speerspitze mitsteppt. Love is the Drug gehört zu den frischesten Dubsteptracks, die es 2011 gab. Who the fuck is Pisskex?
Omar S – It Can Be Done But Only I Can Do It (FXHE)
Hoffentlich kommt der mal runter von seinem hohen Ross und kassiert Schelte. Was für ein Titel. Aber, Omar S ist auch dieses Jahr unangefochten der Don of Detroit-House gewesen. Verwies sie alle in die Schranken, die Kyle Halls, Kai Alcés und ihre schlechten Kopien. Eure Zeit ist noch nicht gekommen. „Who the hell is Ricardo Willalobo?“. Wetten, Omar strengt sich für so ein All-Killer-No-Filler-Album nicht mal an. Er schüttelt und wiegt sich da einfach in 80er Detroit-Dolphins-Shorts vor seiner Wand aus MPC 2000, Poly Evolver, Roland MC-909 und Waldorf Micro Q. Dann reibt er sich verwundert in seiner mit PVC-Panelen verkleideten Studiogarage die Augen und zack fertig: Here is your Trance now Dance. Gerne und die ganze Nacht durch. Mit so viel Klasse und Elegie konsequent Überraschungen aus den alten Synthieschaltungen gezaubert, war lange nicht mehr.
Ben Sims – Smoke & Mirrors (Drumcode)
Irgendwann ist auch mal Schluss mit dem Auflösen und Mashing der Clubgenres. Wer kann das überhaupt noch? Auf Albumlänge straight, nicht kitschigen und innovativen Techhouse produzieren? Einer der Wenigen, die das dieses Jahr gebracht haben, war Ben Sims. Smoke & Mirrors bedient die Sehnsucht nach hartem Techno. Nichts schranzt, nichts blinkt diskoverdächtig, alles schiebt, verchromt und stromlinienförmig nach vorne und ¬ auch die Mädels lieben es. Sims vergisst nämlich nicht, dass Techno nicht nur hypnotisch sondern auch funky sein darf. Nein, es ist keine „einsame Jungs tanzen dichtgenebelt im dunklen Gewölbe“-Platte. Warum? Weil Sims Fantasie und Variation beweist und auf Tracks wie Riots in London und The Afterparty bekannten Architekturmustern neues Leben einhaucht. Nicht die Berghaintruppe verpasste 2011 hartem verdubbtem Schiebertechno auf ein Neues die Sexyness. Sims war es, ob er will oder nicht.
NHKyx – yx aka 1ch aka Solo (Skam Records)
Länger war es ruhig um das Hauslabel von Boards of Canada und Gescom. Die verkopfte, übernerdige UK-Schiene verkauft sich einfach nicht mehr als hip. 2010 dann auf Skam Records der Lichtblick Trademark Ribbons of Gold von VHS Head. Frische Nervosität. Man munkelte bei solch mächtiger Raffinesse seien die Jungs hinter Autechre und Gescom am Werk. Und dieses Jahr schickt Skam dann gleich wieder so ein Trojanisches Pferd ins Rennen. Außen unaufällig, innen extrem angriffslustig. Es muss wohl am Namen liegen, dass yx aka 1ch aka Solo im Netz mehr oder weniger untergegangen ist. Wer immer hinter NHKyx steckt, besitzt die richtige Mischung aus Mathematikverständnis, Wahnsinn und romantischer Kompromisslosigkeit. Auf 19 Tracks wird geschleudert, was die Maschinen hergeben. NHKyx trinkt drei Kannen Kaffee, bevor getrackt wird: Keine Atempause, durchgehend positiv, intelligenter Stress am Anschlag. Ab und wann lugt ein Gast-MC hervor, ihre Pseudonyme, AthenA und Google Premier, kennt niemand. Die weibliche Stimme und der Maschinengewehrflow von AthenA sind dann doch schnell vertraut. Das Übertalent der Detroiter Battle-MC Invincible ist unverkennbar. Hiphop trifft auf, pardon, IDM. Brutal unangepasstes Meisterwerk, durchaus tanzbar.
Anstam – Dispel Dances (50 Weapons)
Warum faszinieren uns Zombies, Teufelsbeschwörungen, Dämonen und Schamanismus? Sie sind alle verbandelt mit der Halbwelt zwischen Leben und Tod. Und genau dorthin entführt der Sound von Dispel Dances. Kopfhörer auf und plötzlich stehst du irgendwo in Haiti am Lagerfeuer und beobachtest eine Voodoo-Seancé. Kalkbemalte Tänzer kreiseln und schwindeln sich in Trance, trinken Schlangengift, reiben sich mit Mäuseblut ab und schlagen Afro-Rhythmen auf Schimpansenschädeln. Der Dubstep von Anstam versteht keinen Spaß, eröffnet aber überzeugend und butterweich düster-schöne Angstwelten. Hört sich nicht besonders lecker an, ist es aber. Wer Shackletons Skulldisko mochte, tanzt auch mit diesen Dämonen. Erschienen übrigens auf dem Label von Modeselektor. Na dann!
Karsten Pflum – No Noia My Love (Hymen)
No Noia My Love klingt mindestens nach der Bohrer- und Schraubenabteilung im Baumarkt, aber eher noch nach einer dänischen Feinwerkzeugmanufaktur auf Hochbetrieb. Geschäftsführer: Karsten Pflum. Gut festhalten, der Däne meint es ernst, lässt seine LFOs das Tempolimit übertreten. Dabei entstehen kryptisch, handverschweißte Einzelstücke. Maßarbeiten, die durch alle erdenklichen Taktarten fallen. Mal gehetzter Halfstep, mal wieder zurückgelehnt in die vier Vollen und dann hört sich das plötzlich nach diesen Notierungen an, die keiner mehr mitzählen kann. Delays lassen den Rhythmus immer wieder in kleine Quecksilbertropfen zerfließen. Auf dieses Bett aus eiskalten, wohl mit FM-Synthese geschnitzen Drumnägeln legt Pflum seinen nordischen Schleier düster-süßer Mollimprovisationen. Aphex Twin im Elchkostüm.
Igorrr – Poisson Soluble + Moisissure (Ad Noiseam)
Ewig analfixiertes Gegrunze in Strumpfmasken, das gefühlt Einhundertmillionste Amenbreak durch den Tracker gewurstet und mit abstrusen Klassik-CDs vergewaltigt. Als Grand Finale nochmal drübergestöhnt und im Vollsuff von Krankheit, über Sex zur Gewalt Assoziationsketten aus Pornos gesampelt. Der Breakcore der Szenepimps Venetian Snares und Otto von Schirach rief zuletzt ein Heer von Fragenzeichen auf die Stirn und – angesichts des allzu kalkulierten Wahnsinns – ein übersättigtes Gähnen ins Gesicht. Wo versteckte sich dieses Jahr die Schönheit des Biests Breakcore? Ratsch, ratsch, röhr, dann brach endlich Igorrr mit der Kettensäge durch und bereitete dem Elend auf der Psychatrie der Elektronischen Musik ein Ende. Igorrr näht auf Poisson Soluble + Moisissure Kombinationen Französischer Oper, Chansons aus den 1920ern, aberwitzige Harpsichordläufe, verspulte Ethnoperkussionen, Funk-Beats, spanische Gitano-Solos und wahlweise Passagen aus Doom-, Speed oder Gothicmetalstücken zu einem großartigen barocken Infernale zusammen. Und dieses Höllenwerk funktioniert, ist zugänglich, jenseits der sich doch eingeschlichenen Spartenformalistik. Zugegeben, auch Igorrr verwendet auf der Doppel-LP en massé kräftig timegestrechte, endlos kleinteilig, zercuttete Amenbreaks und nudelt neurotisch auf dem Sampler hoch und runter, vor und zurück. Aber er langweilt nicht. Versprochen.
Shortlist
Kai:
Azari & III – Azari & III
Mike Dehnert – Framework
DFRNT – Emotional Response
Razika – Program 91
Theo Parrish – Ugly Edits
Youth Lagoon – The Year of Hibernation
Emika – Emika
SBTRKT – SBTRKT
Tycho – Dive
Martyn – Ghost People
Sandwell District – Sandwell District
Eike:
Cosmin TRG – Simulat
Africa HiTech – 93 Million Miles
Jonsson/Alter- Mod
Feist – Metals
Biosphere – N-Plants
Stereociti – Kawasaki
Drake – Take Care
The Sight Below – Glider
M83 – Hurry Up, We’re Dreaming
Bvdub – Resistance is Beautiful
Deadbeat – Drawn & Quartered
Jürgen Müller – Science of the Sea
Kangding Ray – OR
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Compilations/ Mixe
Lawrence – Timeless (Cocoon)
Was hat das für gegensätzliche Reaktionen gesorgt, als das Teil rauskam: Der Lawrence! Auf Cocoon! Wie kann er nur! Gut kann er, das lässt sich sagen. Zum einen ist Lawrence hier deutlich technoider unterwegs, als man es gemeinhin von ihm und seinen Produktionen kennt, zum anderen lässt er von Anfang an den ein oder anderen Klassiker mit einfließen und gibt dem gesamten Mix damit etwas, nun ja, „zeitloses“ eben. Nomen est eben doch omen. Und die beste Verwendung von Isolées Thirteen Times an Hour dieses Jahr.
VA – For Nihon (Unseen Music)
Eine Benefiz-Compilation für die Tsunami-Opfer in Japan ist For Nihon. Allein deswegen ist die Scheibe durchaus erwähnenswert. Aber auch rein musikalisch ist die Sammlung bemerkenswert: 38 feinste Ambient-, Drone- und zurückhaltende IDM-Stücke sind hier zu finden, die unter anderem von bekannten Größen wie Alva Noto, Ulrich Schnauss, Max Richter, Peter Broderick und Ruyichi Sakamoto stammen, aber auch jede Menge vermeintlich unbekannter Namen enthalten. Kurz, For Nihon ist die wohl beste Ambient-Compilation, die es in diesem Jahr gab und man kann sie noch immer für einen guten Zweck erwerben. Das sollte man auch.
Dixon – Live at Robert Johnson Vol. 8 (Robert Johnson)
Der letzte Teil der Reihe aus Offenbachs legendärem Club klingt schon etwas wie ein Abschied, wie ein letztes Set, wenn die Sonne über dem Main aufgeht: Einmal von Ambient zu House und zurück; Dixon mischt Dominique in Hauschka und Mark E in Roman Flügel, lässt die Referenzen spielen wie kaum ein anderer und serviert dann zum Ende hin mit Todd Terjes Überhit Snooze 4 Love und Osunlades Envision doch noch einmal groß auf. Eine Mischung, wie es sie viel mehr geben sollte – ohne Dancefloor-Diktat aber mit Charakter über allem. Ganz groß.
Gold Panda – DJ-Kicks (!K7)
Skandalös schlecht bewertet auf RA, was sowohl für die Nichtsahnung des Rezensenten spricht als auch für den Mix selbst. Der ist nämlich ziemlich kantig an der Grenze von IDM, Dubstep und Juke und lässt vor allem zwischen den Tracks ziemlich viel Wissen spielen: So mixt der goldene Bambusbär hier einfach mal Tracks von Drexciya, Jelinek, 2562 und Muslimgauze (!) zusammen, als wäre es gar nichts. Und dass er SNDs Palo Alto, einen meiner absoluten All-Time-Favs, auch noch einstreut, hilft natürlich bei der Entscheidung. Wer diesen Mix nicht versteht, sollte vielleicht eher Justin Bieber hören. Ja, ich rede von dir, Girard, du Pappnase!
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Singles
Lana del Rey – Video Games (Stranger)
Lana „Daffy Duck“ del Rey geisterte dieses Jahr nicht nur durch die Feuilletons, sondern auch durch die Clubszene. Klar, Video Games ist einer dieser Tracks, die auch morgens auf der Ecstacy-geschwängerten Tanzfläche funktionieren, wenn man einen dezenten Drumbeat drüberpackt. Joy Orbison hat das übrigens in einem wohl inoffiziellen Remix gemacht und damit einen meiner Lieblingstracks des Jahres geschaffen. Geht aber auch im Original. Gebt’s zu, Ihr steht doch auch drauf.
Gathaspar – Cedar (Freude am Tanzen)
Endlich mal wieder eine dieser FAT-Platten, die um die Ecke denken: Gathaspar bewegt sich jedenfalls irgendwo an der Grenze zwischen Dubtechno und IDM. Teilweise sehr straight auf der 4/4 Schiene, dann aber doch wieder ziemlich kantig mit der Elektronika spielend. Mit 40 Minuten zudem auch fast ein Mini-Album. Schönes Ding.
Paul Woolford & Psycatron – Stolen (Hotflush)
Meine Güte, wo will Hotflush eigentlich noch hin? So technoid wie hier war das Label von Scuba jedenfalls noch nie. Ziemlich breitflächiger, auch irgendwie opulenter Techno mit leichten Step-Sequenzen irgendwo um die 130 BPM-Grenze mit brachialer Sprengkraft, der auch die größten Gesichtsdiscos aus den Ritzen im Berghain hervorzulocken vermag. Alles oder nichts, rien ne va plus.
Axel Boman – Nattsudd (Play it Down)
Oliver $’s Doin Ya Thang war dieses Jahr vielleicht der Hasstrack schlechthin auf Play it Down. Gut für den Schweden Axel Boman, dessen Nattsudd sich nämlich auch in die fiese Sample-Hölle begibt, dabei aber nicht so abgeschmeckt rüberkommt, sondern einen fluffigen Housetrack mit einem recht bekannten Sample raushaut, dessen Original mir seit sechs Monaten nicht einfallen möchte. Vielleicht weiß es jemand?
Regis – In a Syrian Tongue (Blackest ever Black)
Vor einigen Jahren schrieb ich zum 10. Todestag von Muslimgauze, dass seine Musik wohl maßgeblichen Einfluss auf Shackleton und Konsorten hatte. Hätte Bryn Jones heute mit dem Computer Musik gemacht, vielleicht wäre irgendwann etwas wie Regis‘ Blood Witness dabei herausgekommen. Kompromisslos, klar, treibend.
Todd Terje – Ragysh (Running Back)
Natürlich ist das einer dieser Übertracks aus diesem Jahr. Einer, der Gernd Jansons Running Back noch einmal nach ganz oben pushte. Aber meine Güte, hat es denn jemand besser hinbekommen als der Norweger, diese Synths, diese lockere Drumline, diesen Groove, der Disco ebenso wie House umarmt und dann mit Snooze 4 Love auch noch die vielleicht beste Flip des Jahres bereithält? Eben.
Vondelpark – NYC Stuff and NYC Bags (R&S)
Das seltsam betitelte Follow-up zur letztjährigen EP bewegt sich einmal mehr schwer an der Grenze zwischen verwaschenem Indie-Pop und Board-of-Canadaesker Melancholie und klingt trotzdem wie kaum etwas anderes da draußen. Für mich immer noch einer der faszinierendsten Mischungen in diesem Jahr. Wann kommt eigentlich das Album?
Burial – Street Halo (Hyperdub)
Ich war überzeugt davon, dass Burial uns 2011 sein drittes Album präsentiert. Doch der gewohnt scheue Engländer meidet mehr denn je die Öffentlichkeit. Diese Platte war das einzige Lebenszeichen. Aber das reicht auch schon. Es ist Burial. Noch Fragen?
Drake & Griffiths – The Devil’s Eyes (Fear of Flying)
Müsste man eigentlich schon wegen dem Cover alleine nehmen. Aber auch der Titeltrack ist großartig, diese tief wummernde Bassline in Verbindung mit dieser leicht shuffelnden Drumsequenz. Hat glaube ich kein Arsch jemals irgendwo gespielt, dabei tritt die Platte doch genau in jenen.
The xx – Night Time (Synkro Remix)
Zugegeben, ich cheate hier etwas, denn diesen Remix von The xx gibt es nirgends zu kaufen. Lovestep-Flüsterer Synkro hat den Track irgendwann einfach auf Soundcloud geladen, wo es ihn immer noch gibt. Und was für eine wunderbare Kombination das doch ist, als wäre es ein „Match made in Heaven“, wie der Engländer sagen würde. Deswegen auch keine Beschreibung, sondern einfach selbst anhören. Einer meiner Lieblingstracks des Jahres, den ich hier auch nochmal als mp3 hochgeladen habe (und dafür hoffentlich nicht gefickt werde): Klick (Rechtsklick für DL)
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Nicht Verstanden
Casper – xoxo
Die beliebte Kategorie ist dieses Jahr wieder zurück mit dem heiseren Quasi-Rapper Casper, dessen Kombination aus belanglosen Abschlussfeier-Beats und pseudo-subversiven Texten über Friede, Freude, Schnaps und Ficken die bescheuerte Republik in seinen Bann zog wie sonst nur Guttenberg. Das ist sicherlich prima für alle 16-jährigen Girls, die auf dreitagebärtige Wuschelköpfe stehen, und alle Ü-30-Großstädter, die auf Vintage getrimmmte Hochglanzbilder mit schwermütigen Zitaten in ihrem Tumblr sammeln. Meine Stimme klingt übrigens ähnlich, wenn ich nach fünf Tagen Verstopfung auf dem Klo sitze. In diesem Sinne: Geh kacken, Junge, denn DER DRUCK STEIGT!
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