Feature: Aus Music

Will Saul befindet sich zum Zeitpunkt dieses Interviews irgendwo in den Staaten zwischen Miami und San Francisco auf Tour. Dass er trotzdem gut gelaunt und mit britischem Charme einige Fragen beantwortet verstärkt nur die sympathische Aura des englischen Label-Kleinods Aus Music. Seit knapp drei Jahren betreibt er Aus Music nun schon gemeinsam mit Fin Greenall, der vor allem als Fink durch angejazzte Donwtempo-Beats auf Ninja Tune bekannt wurde. Die Veröffentlichungen sind überschaubar, vielleicht auch weil Will Saul mit seinem anderen Label Simple Records bereits seit Anfang 2003 eine stilsichere House-Bastion in England etabliert hat, und damit Aus Music ganz entspannt betreiben kann. Im letzten Jahr kam der Großteil der Releases aus der Feder von MyMys Lee Jones, der hier neben zahlreichen EPs auch sein hochgelobtes Debütalbum Electronic Frank herausbrachte. Vor kurzem ist mit All Night Long die erste Compilation erschienen, die so einige Überraschungen parat hält.

Kein Wunder, denn wo der „große Bruder“ Simple ganz klar auf die Tanzfläche abzielt, wirken die Releases auf Aus häufig um einiges zurückhaltender und unaufdringlicher, mal deeper, mal vertrackter, ohne sich dadurch in eine bestimmte Ecke drängen zu lassen. Von den Dub-Klängen Sideshows, dem Nebenprojekt von Fin(k), der gerade sein zweites Album fertiggestellt hat, über die verschachtelt-technoiden Tracks des Schotten Sian bis hin zu den melodiösen, breitflächigen Housetracks von Lee Jones – stilistisch bietet Aus bei aller Überschaubarkeit an der Oberfläche eine tief verwurzelte Vielfalt, die man bei Aus selbst als die „experimental side of house and techno“ bezeichnet. Genau mit dieser Philosophie hat sich Aus Music zum einen der spannendsten Labels der letzten Zeit entwickelt, so dass wir froh sind, mit Will Saul einen der Macher befragen zu dürfen.

Mit Simple Records hast du ja schon ein durchaus erfolgreiches Label am Laufen. Wann kam die Entscheidung, noch zusätzlich Aus Music zu gründen?

Begonnen haben wir, das sind ich und Fin Greenall alias Fink, vor knapp drei Jahren. Unser Ziel war es zum einen, einen etwas ungewöhnlicheren Sound zu etablieren und gleichermaßen auch ein neues Outlet für Fins Sideshow-Projekt und Lee Jones zu schaffen.

Gibt es zwischen den beiden Labels also auch Unterschiede in Sachen Sound?

Simple ist ganz klar ein Techno- und Houselabel mit Fokus auf den Dancefloor. Aus Music sehe ich dagegen auch durchaus für die Autofahrt oder den Kopfhörerbetrieb geeignet, auch wenn das abgedroschen klingt. Klar, man kann alles auf Kopfhörern hören, und es gibt auch durchaus hin und wieder Überschneidungen. Motorcitysoul zum Beispiel, die waren zuerst auf Aus und sind jetzt bei Simple. Manchmal wird es bei Simple auch etwas deeper, während bei Aus vielleicht auch mal ein Peaktime-Kracher erscheint. Die beiden Label sind nicht 100%ig abgetrennt, aber es gibt doch gewisse Unterschiede.


Du hast mal gesagt, Aus Music soll die experimentelle Seite des Dancefloors bedienen. Was genau meinst du damit?

Experimentel, naja, wohl eher in dem Sinne, dass es nicht nur um ein 4/4-Pattern geht, sondern vor allem um Originalität. Wir wollen den Künstlern die Chance geben, sich weiterzuentwickeln. Wenn Lee jetzt zu mir kommt und meint „Will, ich möchte ein Dubstep Album machen“, dann sage ich „Super, machen wir das!“ Wichtig ist vor allem, dass es einen gewissen musikalischen Aufhänger gibt, und ich denke, hierin liegt auch der gemeinsame Nenner: jeder von uns hat einen unterschiedlichen Sound, aber was uns vereint, ist unsere Liebe für Melodien und Musikalität.

Wie wichtig ist es, dass die Platten auch auf der Tanzfläche funktionieren?

Bei den Originals ist das gar nicht so wichtig. Wenn dem so ist – ok! Wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm. Was uns wichtiger ist, ist dass jeder Track einen ‚musikalischen Hook‘ hat, etwas, das uns gezielt und sofort anspringt und bewegt. Das muss nicht physisch sein, das kann auch gefühlsmäßig sein, und oft ist es auch so. Bei den Remixen versuchen wir dann allerdings, doch wieder auf den Dancefloor-Kontext zurückzukommen. Hey, ich bin ja schließlich auch DJ und will die Platten auflegen! (lacht)

Viele eurer Releases spielen auch gezielt mit einem melancholischen Momentum; ist das einer dieser ‚Hooks‘ von dem du sprichst?

Ja, durchaus. Die Melodien, die ich liebe, sind meistens etwas gedämpft und melancholisch. Von Philly Soul zu frühem Detroit Techno – es sind immer die introvertierten und traurigen Melodien die mich am meisten berühren, vor allem wenn gleichzeitig noch ein gefühlvolles Moment durchbricht. Da ich die A&R bei Aus mache, ist es wohl auch kein Wunder, dass auch gerade dieser Sound immer wieder auftaucht. Nicht nur bei Aus Music, auch bei Simple.


Sowohl eure Webseite als auch die Plattencover sind sehr geerdet, sehr zurückhaltend. Zeigt sich darin auch die Labelphilosophie?

Prinzipiell soll natürlich die Musik für sich sprechen. Details und komplexe Texturen versuchen wir daher auch, vor allem in der Musik zu repräsentieren. Das Artwork soll nicht ablenken, aber dennoch einprägsam sein. Wir arbeiten da schon mit einem gewissen Understatement, einer zurückhaltenden Eleganz kann man sagen und ich denke unser Designer Michael Place, der früher bei der Designer’s Republic war und jetzt mit Build sein eigenes Studio betreibt, trifft genau diese Philosophie.

Fin Greenall ist ja nicht unbedingt für Techno, sondern vor allem für seine Downtempo-Produktionen auf Ninja Tune bekannt. Wie beeinflusst dass die Auswahl der Musik bei Aus Music?

Fin war schon immer die zweite Instanz in Sachen A&R. Ich leite oft Demos und Tracks an ihn weiter, um seine Meinung einzuholen. Er hat zwar viel um die Ohren mit seiner eigenen Musik, so dass er sich nicht aktiv um Remixes oder neue Signings kümmert, aber er hat einen unglaublich vielseitigen Musikgeschmack und auch Wissen, auf das ich immer wieder gerne zurückgreife, und das ich auch nicht missen möchte.

Das Roster eures Labels ist ja doch relative übersichtlich. War es von vornerein das Ziel, es auch so klein zu halten?

Das hat sich eigentlich alles nach und nach entwickelt. Lee habe ich über Fin kennengelernt noch lange bevor es MyMy gab; die beiden sind zusammen zur Uni gegangen und haben damals, Mitte der 90er, gemeinsam als E.V.A. Musik gemacht. Als ich mit Fin dann das Label gegründet habe, war es sicherlich auch, um den Produktionen der beiden eine weitere Plattform zu geben. Als dritter Core-Artist kam Sian dann kurz nach den ersten Releases dazu. Wir halten es freundschaftlich, sind aber trotzdem offen für neue Artists und Impulse.

Das bringt mich zum nächsten Punkt: auf der aktuellen Compilation sind auch Tracks von Dubstep-Atists wie Ramadanman und Martyn zu finden. Wollt ihr in Zukunft auch vermehrt solche Produktionen herausbringen?

Absolut! Mit Martyn, Appleblim und Ramadanman tauchen drei Künstler auf, von denen wir auf jeden Fall gerne Platten veröffentlichen wollen. Ich möchte auch zusammen mit Mike Monday und Appleblim ein weiteres Label zu gründen, auf dem wir uns gezielt den Lücken zwischen House, Techno und Dubstep widmen wollen. Zudem habe ich selbst gerade zusammen mit Mike einen Remix für die kommende Single auf Apple Pips gemacht; ich bin auf jeden Fall ein großer Fan dieses Sounds.

Wie kam es zu dem Namen ‚Aus‘?

Das kann man verschieden interpretieren. ‚Aus‘ kann ja zum einen im Deutschen, ich hoffe das ist richtig, so etwas wie ‚of‘ oder auch ‚off‘ im Englischen bedeuten. Und es klingt natürlich ein wenig wie ‚House‘…vielleicht ist eine Mischung aus beidem, aber so sicher bin ich mir da selbst nicht… (lacht)

Hauptsache, er bleibt weiterhin in Sachen Musik so stilsicher wie bisher. Den Will Saul und Fin Greenall haben es geschafft, ohne laut zu werden ein Label zu etablieren, bei dem Qualität eindeutig vor Masse steht, das der durchprogrammierten Dancefloor-Maschinerie die kalte Schulter zeigt, und trotzdem ganz vorne am Zahn der Zeit arbeitet. Und das aus-drücklich gut.

Teile dieses Interviews sind in der De:Bug #132 erschienen.

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